Michaela Allemann
Die Künstlerin zu ihrem Werk:
Venus entkommt keiner Projektion. Sie ist die Ikone der Weiblichkeit. Jede Epoche hat sich in Venus wiedererkannt und jede erschafft sich Venus nach ihrem eigenen Bild von Weiblichkeit neu.
Venus nun mit einer leuchtenden Handschrift vorzustellen, mag überraschend sein. Gleichzeitig hoffe ich, dass diese Irritation dazu beiträgt, unvoreingenommen in den Kosmos unterschiedlichster Venus-Facetten einzutauchen.
«Ecce homo» bedeutet «Seht – der Mensch». Der Ausdruck stammt aus der lateinischen Übersetzung des Johannesevangeliums und ist von dort in die christliche Tradition und in die Kunstgeschichte eingegangen. Mit dem Ausruf «ecce homo» stellt der römische Statthalter Pontius Pilatus dem Volk den gefolterten, in purpurnes Gewand gekleideten und mit einer Dornenkrone gekrönten Gefangenen Jesus von Nazareth vor, weil er keinen Grund für dessen Verurteilung sieht. «Ecce homo» – «er ist nur ein Mensch (und kein Gott)», will er sagen.
Die Abwandlung von «ecce homo» zu «ecce Venus» ist mein Versuch, das christlich konnotierte Diktum aus feministischer Sicht neu zu interpretieren und den Blick der Frau zuzuwenden. Venus ist zwar auch eine Göttin, im Kontext des Murianer Projekts kann sie aber vieles sein, auch der Planet und vor allem Sinnbild für Frausein an sich: «Seht hier – das ist Venus!».
In meiner persönlichen Lesart steht «ecce Venus» auch stellvertretend für alle Frauen, die in ihrem Menschsein Verletzungen an Leib und und Seele erleiden. Dabei sind alle Frauen eingeschlossen, die während der vieltausendjährigen Menschheitsgeschichte Leid an Körper und Seele erfahren haben, oder, im Kontext von weltweiter Gewalt an Frauen, diese aktuell erfahren. Ihnen allen ist «ecce Venus» gewidmet.
Michaela Allemann, geb. 1964, lebt in Muri. Weitere Informationen siehe: www.blickundsprachwerk.ch/