Michaela Allemann
Die Künstlerin zu ihrem Werk:
Das Narrativ der klösterlichen Hermetschwiler Frauengeschichte in Bezug auf die 1000-jährige Geschichte des Klosters Muri ist bis jetzt grösstenteils eine Leerstelle. In den Vitrinen des Gewölbekellers werden bis anhin nur Äbte ins Zentrum gestellt.
Die Installation «scriptum est» – «es ist geschrieben worden» – vor der goldenen Wand will sichtbar und bewusst machen, dass das Kloster Muri ab 1082, also kurz nach seiner Gründung als Doppelkloster existierte. Auch wenn der Nonnenkonvents etwa 100 Jahre später nach Hermetschwil ausgegliedert wurde, sind die wechselvollen Geschichten des Frauen- und Männerklosters bis zum heutigen Tag verwoben.
Die Spuren der Hermetschwiler Meisterinnen und Äbtissinnen (diesen Titel führten sie erst ab 1636) sind bis heute in der Marienkapelle der Klosterkirche (Nordarm des Querschiffes) zu finden. Die Eintrittspforte für die Nonnen ist noch heute in der Nordwand der Frauenkapelle vorhanden. Der Klosterchronist Anselm Weissenbach beschreibt 1693, dass «bis zum heutigen Tage die Meisterinnen und Äbtissinnen in der Marienkapelle bestattet wurden». Heute sind dort noch die Grabplatten der Meisterin Meliora von Grüth (1553–1599) und der Meisterin Anna von Efringen (1523–1541) zu sehen.
Meine Installation aus personalisierten Büchern mit den Namen aller 49 Meisterinnen und Äbtissinnen seit der Klostergründung ist ein Versuch, die erwähnte Leerstelle im Rahmen der Ausstellung VENUS VON MURI sichtbar zu machen. Alle diese 49 Persönlichkeiten haben zur Geschichte beigetragen. Die Geschichte auch niederzuschreiben («scriptum est»), diese Aufgabe harrt noch der Vollendung.
Für jede dieser «Venusfrauen» hängt eine Nigella Damascena («Venushaarige») über der Buchinstallation. Die mich dafür inspirierende Kunstkarte zeigt die Abbildung einer Nigella Damascena aus der Botanica in Originali (1736) von Johann Hieronymus Kniphof. Im Museum für Medizinhistorische Bücher Muri (MMBM) hier im Singisenflügel kann die Originalabbildung in Kniphofs Pflanzenbuch besichtigt werden. Ich bedanke mich bei der Kuratorin Beatrice Green-Pedrazzini. Die erwähnte Kunstkarte ist übrigens im Besucherinnenzentrum käuflich zu erwerben.
Mit meiner Arbeit möchte ich Fragen im Zusammenhang mit der Sichtbarkeit weiblicher Präsenz im Kloster Muri stellen und Historikerinnen und Historiker auffordern, sich bis zur Tausendjahrfeier des Klosters Muri 2027 mit dieser Leerstelle auseinanderzusetzen.
Weiterführend Links
Bettina Schöller, „Doppelkloster – Priorat – Abtei? Das Kloster Hermetschwil zwischen Abhängigkeit und Selbstbehauptung”, in: Christine Kleinjung (Hg.), Religiöse Frauengemeinschaften am südlichen Oberrhein (Oberrheinische Studien 42), Ostfildern, 2021, S. 63-79. Siehe PDF.
Anne-Marie Dubler, „Biografien der 49 Meisterinnen und Äbtissinnen des Klosters Hermetschwil”, in: Helvetia Sacra, Abt. III, Bd. 1, 3. Teil, Bern, 1986. Auszug siehe PDF.
Anne-Marie Dubler, „Geschichte des Frauenklosters Hermetschwil”, in: Helvetia Sacra, , Abt. III, Bd. 1, 3. Teil, Bern, 1986. Auszug siehe PDF.
Abbildungen der Grabplatten der Meisterinnen und Äbtissinnen aus Hermetschwil in der Frauenkapelle der Klosterkirche Muri (Fotos: Martin Allemann). Siehe PDF.
Abbildungen, Nigella Damascena, «Venushaarige». Siehe PDF.
Mein Werk widme ich meiner Schwiegermutter, Maria Allemann (1930–2019). Sie wuchs in direkter Nähe zum Kloster Hermetschwil auf. Als Mutter von fünf Kindern und berufstätige Geschäftsfrau lebte und arbeitete sie in Muri. Für mich ist Maria eine Herzens-Venus, die mich inspirierte und mein Leben bereichert hat.
Unerhörte Frauengeschichten im Kloster
Lesung mit Catherine Meyer (Autorin des historischen Romans «Beben über der Reuss») und historische Einbettung mit der Künstlerin Michaela Allemann vor ihrer Installation «scriptum est» im Äbterkeller des Museum Kloster Muri
20. Oktober 17 bis 19 Uhr
Impressionen und Videodokumentation siehe hier.
Videointerview mit Michaela Allemann
(Viviane Barbieri für Murikultur, 2024)