Pearlie Frisch
Die Künstlerin über ihre Werke:
«Venus von Muri» bot für mich die Gelegenheit, eine spekulative Interpretation der mythologischen Figur der Venus präsentieren. Die Vorstellung der Venus oft als Verkörperung idealisierter, normativer Schönheit will ich mit meiner Version der Venus ausweiten. Meine Figur ist keine göttliche Geburt aus dem Schaum des Meeres, bzw. den ins Meer geworfenen Geschlechtsteile des Uranos, sondern sie taucht in Muri auf und beginnt sich frei von vergangenen Zuschreibungen zu bewegen. Sie ist nicht an die Mythologie gebunden, sondern verkörpert die Gegenwart und die Zukunft zugleich. Ihre sog. weiblichen Attribute sind überspitzt, ihre Erscheinung ist faszinierend und gleichzeitig verstörend.
Diese «Venus von Muri» ist nicht nur ein statisches Objekt. Sie ist Körperlichkeit und Bewegung. In ihrer Anziehungskraft liegt auch ein Moment der Abstossung, ihre Verführung ist widersprüchlich und herausfordernd.
Mit meiner Installation möchte ich dazu einladen, die konstruierte Figur der Venus (was wohl noch immer auf die Rollen von Frauen in unserer Gesellschaft zutreffen mag) als Erlebnis im Raum mit verschiedenen Sinnen anders kennenzulernen, jenseits von normativen Vorstellungen und idealisierten Bildern. Sie ist eine Reflexion über Vielschichtigkeit und die Ambivalenz von Attraktivität und Ablehnung. Sie lädt dazu ein, unsere Vorstellungen von Schönheit und Begehren zu hinterfragen und neu zu definieren, oder auch einfach nicht immer allzu ernst zu nehmen.
Den Titel der Soundinstallation habe ich in loser Anlehnung an den Gesang der Sirenen bei Odysseus gewählt. Ein Verweis auf das Wechselspiel von Anziehung, Verführung und Widerstand.
Parallelen sehe ich in der hybriden Figur der Schlange mit weiblichem Oberkörper in einem der Fenster im Kreuzgang des Klosters Muri und der Figur der Maria Magdalena im Deckenfresko in der Klosterkirche. Letztere ist bekanntnlich eine Mischfigur aus mehreren, verschiedenen Marien (Maria Ägyptiaca, namenlose Sünderin, Schwester von Martha etc.) und Projektionsfläche verschiedener Vorstellungen, häufig an männliche Begierden gerichtet.
Videointerview mit Pearlie Frisch
(Viviane Barbieri für Murikultur, 2024)
Pearlie Frisch, geb. 1986, lebt in Zürich. Mehr Informationen siehe www.pearliefrisch.com/